Konzert-Rezension: Liv Migdal & Mario Häring

3. Kammerkonzert 

Sonntag, 16. November 2025 

19.30 Uhr, Bürgerhaus Telgte 

Bassfeld 9 / 48291 Telgte

 

  

Liv Migdal – Violine 

Mario Häring – Klavier

Die Geigerin Liv Migdal und der Pianist Mario Häring sorgten für einen brillanten Kammermusikabend. Foto: Axel Engels


Westfälische Nachrichten vom 18.11.2025

von Axel Engels

Publikum im romantischen Rausch

Geigerin Liv Migdal und Pianist Mario Häring im Bürgerhaus

Telgte. Im gut besuchten Bürgerhaus herrschte am Sonntag beim dritten Kammerkonzert des Kultur-Freundeskreises eine spürbare Erwartungshaltung. Der Titel „Romantischer Rausch“ ließ bereits vermuten, dass dieser Abend klanglich wie emotional weit ausschwingen würde. 

 

Die Geigerin Liv Migdal und der Pianist Mario Häring betraten die Bühne als ein Duo, das einen Ruf genießt, der auf technischer Exzellenz und interpretatorischer Tiefe basiert.

 

Mit Schumanns erster Violinsonate eröffneten Migdal und Häring den Abend in unmittelbarer Emotionalität. Liv Migdal setzte die ersten Töne warm und mit einem leicht dunklen Timbre an. Mario Häring reagierte mit einem transparenten, fein differenzierten Klavierklang. Schumanns in Musik umgesetzte innere Zerrissenheit wurde konzentriert, aber nie überzogen gezeichnet. Das Publikum reagierte mit sichtbarer Begeisterung.

 

Mit der Violinsonate von Ethel Smyth folgte ein seltener Programmpunkt. Smyths Werke werden zunehmend wiederentdeckt. Die Sonate ist ein Werk voller Entschlossenheit, Leidenschaft und kompositorischem Selbstbewusstsein. Liv Migdal akzentuierte den kraftvollen Charakter der Musik mit klarer Tongebung. Häring legte einen strukturierten, aber farblich reichen Klaviersatz darunter. Der entschiedene Gestaltungswille der Komponistin – biografisch durchaus mit ihrem Engagement für die britische Frauenrechtsbewegung verbunden – klang deutlich im Spiel des Duos mit.

 

Amanda Maiers „Sechs Stücke“ führten in eine feinsinnige, intime Klangwelt. Die Komponistin hat ein Werk voller poetischer Eleganz geschaffen. Jedes der sechs Stücke erhielt ein eigenes Profil. Liv Migdal und Mario Häring wählten eine zurückhaltende, detailreiche Interpretation. Die lyrischen Elemente wirkten natürlich und unaufdringlich.

 

Besonders in den ruhigeren Stücken kamen diese Qualitäten intensiv zur Geltung, und es entstand eine hörbare Nähe zum Publikum. Die Musiker spielten mit großer Klangsensibilität. Maiers Musik entfaltete dadurch eine unerwartete emotionale Wirkung. Mit Griegs Sonate G-Dur op.13 schloss der Abend mit einer Komposition, die Energie, Melodik und folkloreartige Elemente verbindet. Der erste Satz begann mit frischem, nordischem Klang. Beide Künstler fanden einen lebendigen, gemeinsamen Puls. Im zweiten Satz breitete sich ein weiträumiger, melancholischer Charakter aus. Die dynamischen Nuancen waren fein abgestimmt. Der Finalsatz entwickelte sich zu einem turbulenten, mitreißenden Abschluss. Mit souveräner Virtuosität führten die Musiker den Satz zu einem packenden Ende.

 

Die Begeisterung des Publikums war entsprechend groß. Der gesamte Abend zeigte die außergewöhnliche künstlerische Verbindung zwischen Liv Migdal und Mario Häring. Beide agierten mit gleicher interpretatorischer Verantwortung. Liv Migdal überzeugte durch klangliche Präsenz und Ausdruckskraft. Ihr Ton vereinte Wärme, Klarheit und Flexibilität. Mario Häring wiederum beeindruckte durch klangfarbenreiches Spiel und sensiblen Anschlag.

 

Besonders auffällig war die kommunikative Leichtigkeit des Duos. Die dramaturgische Auswahl des Programms erwies sich als klug. Die Entscheidung, zwei selten gespielte Sonaten einzubetten, erwies sich als Gewinn. Die Besucherinnen und Besucher reagierten aufmerksam und konzentriert, ließen sich vom Spiel des Duos gleichsam einfangen. Die Kombination aus künstlerischem Anspruch und emotionaler Direktheit machte den Abend besonders.

 

„Romantischer Rausch“ wurde zu einer treffenden Beschreibung. Die romantische Musik zeigte sich in all ihren Facetten, von innerer Aufruhr über kämpferische Energie bis zu lyrischer Ruhe. Der Abend war ein Beispiel dafür, wie lebendig Kammermusik heute sein kann. Das Publikum bedankte sich mit langanhaltendem Applaus bei den beiden Künstlern. Das Duo hat den Mut, weniger bekannte Werke gleichwertig neben etablierte Klassiker zu stellen. Das Publikum wurde auf eine Reise mitgenommen, die von Innigkeit bis zu strahlender Energie führte.

 

Insgesamt zeigte dieser Konzertabend, wie Kammermusik wirken kann, wenn sie mit Sorgfalt, künstlerischer Überzeugung und technischer Brillanz gestaltet wird.