Kammerkonzert
Sonntag, 21. September 2025
19.30 Uhr, Bürgerhaus Telgte
Bassfeld 9 / 48291 Telgte
Myriam Navarri - Oboe
Thomas Mittler - Horn
Josefa Schmidt - Klavier

Das Trio Ariadne bescherte dem Publikum einen großen Abend der Kammermusik. Foto: Axel Engels
Westfälische Nachrichten vom 23.09.2025
von Axel Engels
Zwischen Hoffnung und Abgrund
Ein großer Kammermusikabend mit dem Trio Ariadne
Telgte. Die Resonanz bei den Kammermusikliebhabern auf den Konzertabend mit dem Trio Ariadne war groß, schon von der Programmauswahl versprach dies ein überaus interessanter Abend zu werden. Das Trio Ariadne wollte nicht nur allein mit klingender Schönheit locken, sondern darüber hinaus ganze Geschichtswelten aufblättern.
Der Kultur-Freundeskreis Telgte hatte mit dem Trio Myriam Navarri (Oboe), Thomas Mittler (Horn) und Josefa Schmidt (Klavier) drei herausragende Musiker eingeladen, die sich nicht scheuten, ein Programm von hoher emotionaler und historischer Dichte auf die Bühne zu bringen. Schon die Dramaturgie des Abends war bemerkenswert. Mit Robert Kahn, Jane Vignery und Pavel Haas stellte die erste Hälfte drei Komponisten ins Zentrum, die unter dem Druck und der Verfolgung des Nationalsozialismus gelitten hatten – jeder auf seine Weise, jeder mit einer ganz eigenen musikalischen Sprache.
Robert Kahns Serenade für Oboe, Horn und Klavier in f-Moll op. 73 eröffnete den Abend. Die Musik ist durchdrungen von spätromantischer Innigkeit, voller Sehnsucht nach einer Welt, die dem Komponisten längst entglitten war. Myriam Navarri spielte ihre Oboe gleichsam wie eine menschliche Stimme, mit weichen, farbreichen Linien, während Thomas Mittler auf dem Horn einen warmen, schützenden Klangteppich spannte. Am Klavier verband Josefa Schmidt beides mit feinfühliger Klarheit. Die Musik wirkte wie eine Rückkehr in die Geborgenheit der Romantik.
Die belgische Komponistin Jane Vignery führte das Publikum mit ihrer „Sonate für Horn und Klavier in B-Dur, op. 7“ in eine andere Welt. Hier dominierte eine Mischung aus klassischer Formstrenge und romantischem Aufbegehren. Thomas Mittler kostete die weiten Melodiebögen des Horns mit Noblesse und Brillanz. Josefa Schmidt formte am Klavier rhythmische Akzente, die fast aggressiv wirkten, als ob die Musik sich gegen eine unsichtbare Bedrohung stemmte. Das Publikum lauschte gebannt – man spürte, dass hier ein Werk erklang, das mit innerer Zerrissenheit ringt.
Dann folgte Pavel Haas’ „Suite für Oboe und Klavier“ - ein Werk, das nicht nur musikalisch, sondern auch biografisch von Tragik überschattet ist. Haas, 1944 in Auschwitz ermordet, hinterließ mit dieser Suite sein letztes vollendetes Werk. Myriam Navarri gestaltete den Oboenpart mit Intensität. Ihr Ton konnte in der einen Sekunde fast tänzerisch leicht sein, in der nächsten rau und schneidend, wie ein Aufschrei.
Josefa Schmidt am Klavier setzte harte, kantige Akzente dagegen, als ob sich ein unerbittliches Schicksal in die Musik einschreibt. Besonders der letzte Satz hinterließ im Saal eine beklemmende Stille – ein „Hilfeschrei“, wie es das Programmheft nannte, der noch lange nachhallte.
Nach der Pause tat sich eine andere Welt auf. Carl Reineckes „Trio für Oboe, Horn und Klavier a-Moll op. 188“ gehört zu den selten zu hörenden Werken und wirkte nach den dramatischen Tönen der ersten Hälfte wie ein vorsichtiges Hoffen, dass Musik doch die Kraft haben könnte, eine bessere Welt heraufzubeschwören. Reinecke verband klassische Form mit lyrischer Wärme. Myriam Navarri und Thomas Mittler fanden in den Dialogen zwischen Oboe und Horn zu einem fast gesanglichen Miteinander, das Josefa Schmidt mit farbenreichem Klavierspiel begleitete. Besonders im langsamen Satz breitete sich eine Atmosphäre von tröstender Innigkeit aus, wirkte die Musik als Zuflucht, als Ort, an dem das Schwere des Lebens aufgehoben ist.
Was den Abend prägte, war nicht allein das meisterhafte Zusammenspiel, sondern auch die künstlerische Haltung der drei jungen Musiker. Man spürte, dass sie sich mit der Geschichte der Werke auseinandergesetzt hatten und sie nicht nur als Partituren, sondern als menschliche Zeugnisse verstanden.
Das Publikum im Bürgerhaus Telgte dankte mit langem Applaus. Es war weniger die Begeisterung über technische Brillanz, sondern vielmehr die tiefe Berührung, die dieser Abend auslöste.
Zwischen den Zeilen der Musik hatte das Trio gezeigt, wie eng künstlerische Schönheit und historische Verantwortung zusammengehören können. Dieser Abend zeigte, dass Musik immer mehr ist als Klang – sie ist Erinnerung, Mahnung und Vision zugleich.