Kammerkonzert
Sonntag, 16. November 2008
19.30 Uhr, Bürgerhaus Telgte
Ruth Velten - Saxophon
Alexander Doroshkevich - Saxophon
Martin Posegga - Saxophon
Annegret Schmiedl - Saxophon
Westfälische Nachrichten vom 18.11.2008
von Dr. Johannes Hasenkamp
Wie auf dem sinkenden Schiff
Saxophonquartett "sonic.art" überrascht das Publikum
Telgte. Einen Abend voller Überraschungen bot das Saxophonquartett "sonic.art" am Sonntag in Bürgerhaus. Dieses erst 2005 gegründete Quartett mit Rut Velten (Sopran-), Alexander Doroskevich (Alt-), Martin Posegga (Tenor-) und Annegret Schmiedel (Baritonsaxophon) entspricht in der Zusammensetzung den Stimmlagen in der Vokalmusik. Das Saxophon gibt es in acht Größen. Es gilt, obwohl bereits seit 1840 in Gebrauch, gemeinhin als "junges Instrument" und bietet tatsächlich noch ungenutzte Möglichkeiten.
"Sonic.art" spielt bevorzugt Originalkompositionen, stößt dabei natürlich an Grenzen und bietet neue Möglichkeiten, wie an diesem Abend zu erleben war. Erste kleine Überraschung: Das "Petit Quatuor" von Jean Francaix und das "Quartett op. 109" von Alexander Glasunow sind beide 1932 entstanden, doch außerordentlich verschieden. Das Quartett von Francaix ist viel "moderner", allerfeinste Unterhaltungsmusik mit Niveau, ist spritzig bis übermütig, zitiert fröhlich, ist leider nur kurz. Das Quartett musizierte es mit offensichtlichem Vergnügen. Das wesentlich längere von Glasunow kling schon völlig anders, ist dunkler und ernsthafter, gut anzuhören, doch langweiliger.
Widersprechende Gefühle löste die Bearbeitung Vincent Davids von Debussys Streichquartett op. 10 aus. Wer den Klang dieses oft gespielten Streichquartettes noch im Ohr hatte, musste kräftig "umdenken", konnte aber über manche gelungene Stelle bewundernd staunen.
Die große Überraschung und eindrucksvoller Höhepunkt des Kammerkonzertes war die neunminütige "Lamentatio" des 1959 geborenen Esten Erkki-Sven Tüür. Der Komponist ist hier zu Lande kaum bekannt. Seine "Lamentatio" bezieht sich auf den Untergang des Fährschiffes "Estonia" im September 1994 in der Ostsee. Tüür hatte ursprünglich mit diesem Schiff nach Finnland fahren wollen.
Die Komposition ist ideal zugeschnitten auf Saxophone. Zunächst werden nur unendlich lang angehaltene Töne und Spaltklänge übereinander geschichtet. Triller kommen hinzu, einige Melismen, Rhythmik gliedert den Ablauf ein wenig. Schreiendes Entsetzen, auch feine Töne, doch zumeist tiefe, dunkle Trauer wurden Klang. Gebannt lauschten die Hörer. Die Künstler spielten diese Trauermusik auswendig. Bewundernswert!
Die erste Zugabe, eine Filmmusik von Michael Nyman, bot das, was landläufig von Saxophonen erwartet wird. Es begeisterte erst die zweite Zugabe, die geistvoll freche, humorvolle "Kleine Polka" von Schostakowitsch, die das Überraschungspaket der vier jungen, fabelhaft zusammen musizierenden Saxophonisten abschloss.