Konzert-Rezension: Cuarteto Casals

Kammerkonzert

Sonntag, 15. Februar 2004

19.30 Uhr, Bürgerhaus Telgte

 

Vera Martínez Mehner, Violine

Abel Tomás Realp, Violine

Jonathan Brown, Viola

Arnau Tomás Realp, Violoncello


Westfälische Nachrichten vom 17.02.2004

von Dr. Johannes Hasenkamp

Gegensätzlicher geht es eigentlich kaum mehr

Cuarteto Casals im Bürgerhaus zu Gast

Telgte. Das spanische Streichquartett Cuarteto Casals kann nun die Liste der Städte, in denen es gespielt hat - Madrid, London, Hamburg, Barcelona und weitere - den Namen Telgte hinzufügen. Telgte, besser der Kultur-Freundeskreis, kann nach diesem Konzert das Ensemble in die Liste prominenter Gäste aufnehmen und das mit Stolz. Dieser Sonntagabend zählte zu den ungewöhnlichen.

 

Ungewöhnlich, für manche womöglich befremdend, war schon das Programm: Mozarts Bearbeitung von fünf vierstimmigen Fugen von Bach, das Streichquartett a-Moll op. 51/2 von Brahms, die fünf Sätze für Streichquartett op. 5 von Webern und Debussys einziges Streichquartett g-Moll op. 10 sowie als Zugaben ein Satz von Juan Crisostome de Arriaga (1806 bis 1826) und schließlich noch - auswendig gespielt - der "Tanz des Müllers" aus Manuel de Fallas Oper "Der Dreispitz".

 

Mozarts KV 405 löste wohl kaum mehr als Interesse aus. Zum Abschluss seiner Beschäftigung mit Bach übertrug er Fugen aus dem für Cembalo geschriebenen "Wohltemperierten Klavier" auf vier Streichinstrumente. Die Stimmen gewannen an Individualität, die Themenköpfe wurden in ihrer Abfolge erkennbar, das Ganze bekam mehr Wärme.

 

In Brahms teils hochexpressiven a-Moll-Quartett wurden die vier Spieler wirklich zum Ensemble. Da funkte es im Zusammenspiel gleichberechtigter Stimmen. Das Dramatische wurde so gut herausgearbeitet wir das Melancholische, graziös Kapriziöses erschien neben Ungarismen und ländlerhaften Tönen. Der kräftige Ton der Bratsche (Jonathan Brown) und der vom zartesten bis zum fast dröhnenden reichende des Cellos (Arnau Tomás Realp), darüber (im Wechsel als Primarius) die besonders temperamentvolle und sichere Violine von Vera Martinez Mehner und die intensiv-feine von Abel Tomás Realp ergaben zusammen ein ungemein homogen aufeinander eingespieltes, frisch zupackendes und - vor allem bei Webern - sensibel, fast tonlos Spannung erzeugendes Ensemble.

 

Die immerhin fast 100 Jahre alten Streichquartettsätze von Webern sind immer noch und wieder ein Ereignis. Das Werk mit seinen vielen, sehr genauen Spielanweisungen (col legno, sul ponticello, pizzicato, flageolett, rhythmischen Vertracktheiten und hart aufeinander folgenden dynamischen Wechseln) verlangt von den Spielern höchste Konzerntration. Und höchste Aufmerksamkeit der Hörer. Da ging kein Ton wegen irgendwelcher Störungen verloren. (Bein einer Aufführung 1922 in Salzburg kam es zu Protesten, Schlägereien und Räumung des Saales!) Ob man diese Musik mochte oder nicht, in Telgte erfuhr sie höchste Aufmerksamkeit. Selten war es in einem Konzertsaal so absolut still. Die Musiker hätten die zehn Minuten wiederholen sollen!

 

Debussy war danach ein krasser und wirkungsvoller Gegensatz, sehr energisch gespielt, klanglich oft opulent, rhythmisch mitreißend. In anderer Weise als Brahms entwickelt Debussy aus einer kleinen thematischen Gestalt das ganze Werk, Bezaubernd waren die orientalisierenden Melismen in der ersten Geige, dann wieder herrschte größte Ruhe: eine fesselnde Interpretation!

 

Für die Hörer war es wohl nicht leicht, die Gegensätze des Abends - Material für eine Stilkunde - zu verkraften. Mit dem Menuett (Allegro) aus dem dritten Streichquartett von Arriaga als Zugabe machten die Musiker wenigstens ausschnittsweise mit einem Werk des "spanischen Mozart" bekannt, der bereits kurz vor Erreichen des 20. Lebensjahres in Paris starb.

 

Mit dem furiosen "Tanz des Müllers" von Manuel de Falla bot das Cuarteto Casals einen schlechthin begeisternden Rausschmeißer.