Konzert-Rezension: Il Desiderio

Kammerkonzert

Sonntag, 12. Oktober 2003

19.30 Uhr, Bürgerhaus Telgte

 

Thomas Kügler, Blockflöte

Alexander Scherf, Barockvioloncello

Wolfgang Kostujak, Cembalo


Westfälische Nachrichten vom 14.10.2003

von Dr. Johannes Hasenkamp

Flötentöne aus der Lagune

"Il Desiderio" spielte im Bürgerhaus

Telgte. Als Venezianische Nacht" angekündigt, mochte mancher Musikfreund an "Eine Nacht in Venedig" und ihr buntes Spektakel denken. Das Konzert des Kultur-Freundeskreises am Sonntag im Bürgerhaus wurde zwar kein Spektakel, bot aber geradezu spektakuläre Klänge aus der Blockflöte. Erstaunlich: Die "Venezianische Nacht" mit dem Ensemble "Il Desiderio" zog mehr Hörer als sonst ins Bürgerhaus, viele aus der Umgebung Telgtes.

 

Den größten Anteil am Programm hatte der seit Jahrhunderten unbekannte Komponist Ignazio Sieber. Seine Kompositionen gehören zum Schwierigsten der damaligen Blockflötenliteratur. Der Abend wurde mit Siebers Sonata XII g-Moll für Altflöte, Barockcello und Cembalo eröffnet. Sie setzte den hohen Maßstab für den ganzen Abend. Im Largo erfreute der helle, glockige Ton der Flöte und die weitbögige Melodik. Das Allegro erklang in rasantem Tempo, in dem bewundernswert selbstverständlich jeder Ton zum Klingen gebracht, keiner überspielt wurde. Weiträumig, ruhig und ausdruckvoll phrasiert folgte ein Andante, im Allegro wurde wieder die ganze Beweglichkeit des Instruments genutzt.

 

In Siebers Sonata VII a-Moll begeisterte vor allem der wiegende Rhythmus der Ceciliana, eine Aufforderung zum gelösten leisen Mitschwingen.

 

Auch Francesco Maria Veracini, ein Neffe und Schüler von Vivaldi, ist mit dem berühmten Ospedale, dessen Orchester mit dem Pariser Opernorchester verglichen wurde, verbunden und feierte in Venedig Triumphe als Geiger. Seine Sonata XI C-Dur ist wie die übrigen des Abends viersätzig nach dem Schema der Sonata da Chiesa. Veracini bietet kleine Eigenheiten wie die langsamen Einschübe im ersten Allegro, weiß vor allem schöne, langsame Sätze zu schreiben. Thomas Kügler setzte für diese Sonate seine besonders schön klingende Altflöte aus Ebenholz ein.

 

Obertonreicher, weicher und nicht so klar konturiert klang die Flauto traverso in Vivaldis Sonate g-Moll op. 13 aus "Il pastor fido". Das Cello hatte hier wie auch besonders bei Sieber weit eigenständigere Aufgaben als üblicherweise bei einem Basso continuo. Hohe Anforderungen an den Cellospieler, die Alexander Scherf glänzend bewältigte, stellte wieder das abschließende Allegro. Die Einigkeit von Cembalist (Wolfgang Kostujak) und Cellist war bestechend.

 

Der 1686 in Venedig geborene Jurist, Schriftsteller und Komponist Benedetto Marcello ist unter anderem deshalb in die Musikgeschichte eingegangen, weil Bach ein Oboenkonzert von ihm in ein Cembalokonzert umarbeitete. Seine Sonate d-Moll op. 2/2 spielte Kügler wieder auf der Altflöte und nur von Wolfgang Kostujak am Cembalo begleitet. Dessen zurückhaltendes und feines Spiel mit dezenter Ausführung von Verzierungen blieb fast zu sehr im Hintergrund, zeigte Einfühlung, rhythmische Präzision und leuchtende Klarheit.

 

Zum Schluss kam wieder Sieber zu Wort mit seiner Sonate VIII g-Moll: gliedernde Akzentuierungen, virtuoses Spiel in teils aberwitzigem Tempo von hoher Schönheit.

 

Die Zugabe war ein Satz von Vivaldi mit Sopranflöte: begeisternd und alle Anfangstöne auf diesem oft misshandelten Instrument vergessen lassend. Kurios: Die Noten für die zweite Zugabe wurden erfolglos gesucht. Also gab es noch einmal Vivaldi mit "flauto traverso". Nach dieser anspruchsvollen Nacht in Venedig sparte das Publikum nicht mit Applaus.