Interview mit Tobias Köhler

Telgte. Tobias Köhler ist künstlerischer Leiter des Kultur-Freundeskreises. Über das Thema Kulturveranstaltungen in Telgte, vorwiegend über die klassischen Angebote der Kulturfreunde, unterhielt sich WN-Redakteur Thomas Biniossek mit dem Musiker.


„Interesse an Klassik ist vorhanden“

Westfälische Nachrichten vom 11.01.2014

Die Musiklandschaft in Telgte, auch für klassische Konzerte, hat sich in den vergangenen 20 Jahren verändert. Wie stellt sich das dar?

Tobias Köhler: Was die klassische Kammerkonzertreihe des Kultur-Freundeskreises betrifft, hat sich das Publikum insofern gewandelt, als wir heute deutlich weniger Abonnenten haben als noch vor zehn oder 15 Jahren. Die Zahl der Besucher aus jener Generation, für die ein Konzert- oder Theaterabonnement ein quasi selbstverständlicher Bestandteil ihres Lebens ist, hat altersbedingt abgenommen. Es ist heute viel schwerer, neue jüngere Abonnenten zu gewinnen. Viele möchten sich nicht mehr vorab auf mehrere Termine im Jahr festlegen. Die Menschen sind heute in ihrer Terminplanung spontaner, sie sind mobiler und reisen auch mehr als vor 20 Jahren. Dieser Trend betrifft aber nicht nur die Telgter Musiklandschaft, sondern ist grundsätzlich zu beobachten.

 

Die Zuhörerschaft wird bei Ihren Konzerten kleiner. Ist das Interesse an klassischer Musik geschwunden?

Köhler: Die Zuhörerschaft ist nicht unbedingt viel kleiner geworden. Zwar ist die Sicherheit, die uns unsere treuen Abonnenten bei Konzertplanung im Hinblick auf die Finanzierung geben, durch den Rückgang der Abonnentenzahl gesunken. Gleichzeitig beobachten wir aber, dass die Verkäufe von Einzelkarten diese Verluste zumindest zu einem guten Teil ausgleichen. Unter diesen Besuchern, die sich – durchaus auch mehrfach im Jahr – gezielt bestimmte Konzerte unserer Reihe aussuchen, sind viele jüngere Musikfreunde. Dies zeigt, dass das Interesse an klassischer Musik auch in jüngeren Generationen durchaus vorhanden ist.

 

Wie gewinnen Sie zukünftig junge Menschen für ihren Konzertzyklus?

Köhler: Seit über zehn Jahren haben Schüler zu unseren Konzerten grundsätzlich freien Eintritt. Außerdem sprechen wir je nach Art der Instrumentierung gezielt Lehrer der Musikschule oder der Orchesterklassen des MSM-Gymnasiums an. Zudem veranstalten wir spezielle Konzerte für Kinder, um bereits Grundschulkinder für live aufgeführte, professionell dargebotene Klassik zu interessieren. Darüber hinaus bieten wir mitunter sehr ungewöhnliche und weniger „klassisch“ anmutende Kombinationen von Instrumenten an, wie etwa das „Wilde Holz“ mit Blockflöte, Gitarre und Kontrabass oder auch mal einen Abend mit Marimbaphon. Solche behutsamen Experimente locken interessanterweise nicht nur neue junge Zuhörer, sondern begeistern auch das Stammpublikum. Wichtig ist mir, dass unser Publikum spürt, dass der Besuch eines klassischen Konzerts keineswegs eine verstaubte Zeremonie, sondern ein lebendiges und durchaus „modernes“ Erlebnis ist. Nicht zuletzt treten bei uns überwiegend relativ junge Künstler auf, die das Publikum nicht nur über ihr Spiel ansprechen, sondern sich in den Konzerten auch auf unkomplizierte und sympathische Art direkt mit Informationen zu Komponisten und ihren Werken an die Zuhörer wenden.

 

Wie sieht die Zukunft des Kulturfreundeskreises aus und wird es auf Dauer noch klassische Konzerte in Telgte geben?

Köhler: Im digitalen Zeitalter mit eigenen Ohren und Augen zu erleben, wie Künstler von internationalem Rang in Handarbeit auf ihren Instrumenten oder mit ihrer Stimme Kompositionen aus den verschiedensten Epochen „analog“ lebendig werden lassen, wird auch in Zukunft den Menschen ein Bedürfnis sein. Der Saal des Telgter Bürgerhauses eignet sich hierzu perfekt. Er bietet nicht nur eine hervorragende Akustik, sondern auch eine sehr familiäre Atmosphäre mit Tuchfühlung zur Bühne. Ich glaube daher fest daran, dass es auch in den nächsten 20 Jahren genügend Menschen in Telgte geben wird, die sich für klassische Konzertbesuche begeistern.