Konzert-Rezension: Amaryllis Quartett

Kammerkonzert

Sonntag, 30. September 2012

19.30 Uhr, Bürgerhaus Telgte

 

Gustav Frielinghaus – Violine

Lena Wirth – Violine

Lena Eckels – Viola

Yves Sandoz – Violoncello

Zum Start der Kammerkonzertsaison spielten Gustav Frielinghaus, Lena Wirth, Yves Sandoz und Lena Eckels im Bürgerhaus.


Westfälische Nachrichten vom 2.10.2012

von Arndt Zinkant

Ein Abend voller Musizierfreude

Das Amaryllis-Quartett eröffnete die Kammerkonzertsaison im Bürgerhaus

Telgte. Diese Süße, diese Farben, dieser delikate Klang! Das Amaryllis-Quartett zeigt bei Maurice Ravels Streichquartett seine ganze Kunst. Und das Publikum im gut gefüllten Bürgerhaus lauscht mit atemloser Spannung.

 

Kaum zu glauben, dass sich um dies Werk kurz nach Uraufführung ein kleiner Skandal rankte. Das Publikum liebte es sofort - doch weder die gestrengen Kritiker noch Ravels Lehrer Gabriel Fauré gaben ihren Segen. Motivisch meisterlich gesetzt kommt das Quartett daher, aber mit jenem noch ungewohnten, impressionistischen Parfüm, das dem Kollegen Debussy abgelauscht war. Der beschwor denn auch Ravel im Jahr 1904, keine Note zu ändern - "bei den Göttern der Musik!"

 

Das alles erzählte Primgeiger Gustav Frielinghaus am Sonntagabend den Zuhörern zum Auftakt der neuen Kammerkonzertsaison, bevor das Stück erklang. Das Amaryllis-Quartett legte im Kopfsatz den nötigen Schmelz auf ("très doux"), blieb im Ton aber immer subtil. Und voller Musizierlust, die sich im Gesicht der Musiker stets abzeichnete. Gustav Frielinghaus, Lena Wirth, Lena Eckels und Yves Sandoz hielten die Stimmen in perfekter Balance. Die Pizzicati im Scherzo prickelten, und im langsamen Satz jauchzten die Streicher in den höchsten Lagen. Ein wahres Klang-Abenteuer, das für das Ende des Konzerts clever gewählt war.

 

Begonnen hatten die vier mit Joseph Haydn: klassizistische Klarheit, spritzig dargeboten. Frielinghaus riss nirgends die Zügel an sich, und Cellist Yves Sandoz rutschte nicht ein ruppiger Ton aus dem Bogen. Haydns C-Dur-Quartett op.33/3 wird "Vogelquartett" genannt, weil das Hauptthema an Vogelschlag gemahnt und sich am Ende der Kuckucksruf einschleicht. Die Durchhörbarkeit der Stimmen ist - zumal in der guten Raumakustik - wunderbar. Das Amaryllis-Quartett gab dem Adagio Seele und dem finalen Rondo Pfeffer. Haydn ohne Zopf!

 

Weil das zeitgenössische Stück aus chinesischer Schmiede noch nicht fertig war, präsentierten die Musiker im Mittelteil die "Zweite Wiener Schule", genauer: Alban Bergs Streichquartett von 1910. Fahle, huschende Klänge, knisternde Tremoli und spukige Spinnweben holten die Musiker aus den Saiten. Hier durften sie endlich jede noble Kultiviertheit sausen lassen; Bergs wilder Ritt war Ausdruck pur.

 

Apropos Ritt: Die heitere Zugabe entstammt dem "Reiterquartett" von Haydn. Bereits zum zweiten Mal war das Amaryllis-Quartett nun in Telgte - und sicher nicht zum letzten Mal.