Kammerkonzert
Sonntag, 12. Oktober 2025
19.30 Uhr, Bürgerhaus Telgte
Bassfeld 9 / 48291 Telgte
Helena Madoka Berg – Violine
Dorian Xhoxhi – Violine
Tobias Reifland – Viola
Christoph Heesch – Violoncello

Musikalische Meisterklasse im Bürgerhaus: Das Philharmonische Streichquartett Berlin begeistert mit Klangkultur und Spielfreude. Foto: Axel Engels
Westfälische Nachrichten vom 14.10.2025
von Axel Engels
Klangkunst auf höchstem Niveau
Philharmonisches Streichquartett Berlin begeistert in Telgte
Telgte. Das Philharmonische Streichquartett Berlin als Publikumswunsch im Bürgerhaus – das klang schon im Vorfeld nach einem besonderen Ereignis. Und es wurde ein Abend, der Tradition, feinsinnige Musikalität und jugendliche Frische in seltener Balance zusammenführte.
Mit diesem Streichquartett war eine Formation zu Gast, die längst den Ruf genießt, zur Elite der Kammermusikszene zu gehören – nicht zuletzt, weil sie das klangliche Ideal der Berliner Philharmoniker in den intimeren Rahmen der Quartettbesetzung überträgt. Mit Helena Madoka Berg und Dorian Xhoxhi an den Violinen, Tobias Reifland an der Bratsche und Christoph Heesch am Cello stand ein Ensemble auf der Bühne, das vom ersten Ton an eine ungemein vitale Energie verströmte, ohne je die Präzision und Noblesse aus dem Blick zu verlieren.
Es erklangen Werke, die die Entwicklung des klassischen Streichquartetts in unterschiedlichen Epochen beleuchteten. Wolfgang Amadeus Mozarts „Divertimento F-Dur KV 138“ eröffnete den Abend. Dieses Werk ist zwar formal noch dem Divertimento verpflichtet, weist in seinem melodischen Schwung und der Feinheit des Dialogs aber bereits deutlich in Richtung des klassischen Quartetts. Das Quartett machte daraus eine kleine Lektion in Eleganz und klanglicher Beweglichkeit. Besonders auffällig war die intensive Kommunikation zwischen den Instrumentalisten, die selbst in den feinsten Übergängen stets wie aus einem Atem phrasierten.
Mit Beethoven wurde der Ton ernster, tiefer, zugleich aber auch spielerisch. Das „Streichquartett Es-Dur Opus 18“ enthält bereits all das, was Beethovens Quartettkunst ausmacht: innige Kantilenen, kraftvolle Scherzi und ein Finale, das zwischen Heiterkeit und Melancholie changiert. Das Ensemble nutzte diese Kontraste meisterhaft, ließ das Adagio cantabile in großer Ruhe singen und steigerte die Turbulenz des Finales mit federnder Rhythmik. Besonders Tobias Reifland an der Bratsche fiel hier durch seine kantable Gestaltung auf, während Christoph Heeschs Cello mit voller Klangfülle die Basis legte. Auch in den lebhaften Passagen war das Zusammenspiel von einer Selbstverständlichkeit, die nie mechanisch wirkte. Die Dynamik reichte von feinsten Pianissimi bis hin zu kraftvollen Ausbrüchen, die dennoch nie schroff wirkten.
Nach der Pause folgte Dvořáks „Streichquartett G-Dur op. 106“, ein Spätwerk des tschechischen Meisters, das in seiner Größe fast sinfonische Dimensionen erreicht. Hier konnte das Ensemble seine ganze Klangkultur ausspielen: der strahlende Beginn des ersten Satzes, die innige Gesanglichkeit des Adagios, das von melancholischer Schönheit getragen war, das rhythmisch tänzelnde Scherzo mit folkloristischem Einschlag und schließlich das weit ausholende Finale, das mitreißend und doch von nobler Formung erklang.
Dvořáks farbenreiches Werk wurde mit kluger Balance zwischen Innerlichkeit und Energie entfaltet, ohne je den Bogen zu überspannen. Besonders im Adagio entwickelte sich eine fast meditative Atmosphäre: das Cello mit tiefer Wärme, die Bratsche mit samtener Mittellage, darüber die beiden Violinen, die im Wechselspiel von inniger Melodie und filigraner Begleitung den Raum mit einem schwebenden Klang füllten. Im dritten Satz zeigte sich, wie sehr das Quartett die folkloristische Vitalität Dvořáks verinnerlicht hat. Es war kein aufgesetztes tänzerisches Element, sondern ein organisch gewachsener Rhythmus.
Im Finale entfaltete sich eine Klangfülle, die an orchestrale Wirkung heranreichte, ohne dass die Transparenz des Quartetts verloren ging. Dass das Ensemble dabei stets einen warmen Tonfall beibehielt und eine Leichtigkeit des kammermusikalischen Spiels zeigte, machte den Abend zu einem Musikgenuss.
Dieses junge Quartett stellte sich selbstbewusst in die Tradition der Berliner Philharmoniker. Hier vereinten sich philharmonische Klangkultur, technisches Können und ein hörbar tiefes Verständnis für die Musik zu einer Einheit, die schlichtweg überzeugte. Jeder einzelne der vier Musiker ist ein Solist von Rang, doch das Quartett als Ganzes lebt vom Miteinander, von der Bereitschaft, sich zurückzunehmen, zuzuhören, aufeinander einzugehen.
Dies zu erleben, war für das Publikum ein Glücksfall. Das Konzert im Bürgerhaus war ein Beweis für die Lebendigkeit der Kammermusik – dafür kann man dem Kultur-Freundeskreis Telgte dankbar sein. Man verließ den Saal mit dem Gefühl, Musik auf ganz hohem Niveau erlebt zu haben.